Germanisches Nationalmuseum Nürnberg
Auf dem Sprung ins Museum von Nürnberg
Die umfangreiche und weltweit einzigartige Zinnfigurensammlung von Alfred R. Sulzer geht nach einem Streit mit der Windler-Stiftung in den Besitz des Germanischen Museums in Nürnberg über. Einst hätte die Sammlung Platz finden sollen im Steiner Spielzeughaus.
«Stück um Stück erfassen Dorothe und Christoph Müller die Zinnfigurensammlung von Alfred R. Sulzer, um sie für das Spielzeughaus bereit zu machen.» So war es am 12. Juni 2008 in den «Schaffhauser Nachrichten» zu lesen. Was damals in der Agathenkapelle in Stein am Rhein begann, setzen die Müllers heute noch fort. Mittlerweile befindet sich ihr Arbeitsplatz in der Dietiker AG, wo die 2007 gegründete gemeinnützige Stiftung «Zinnfigurensammlung Alfred R. Sulzer» einen Raum für ihren umfangreichen Schatz gemietet hat. Hier endet auch, was man als ein Stück missglückter Museumsgeschichte Steins am Rhein bezeichnen kann. Noch im Dezember 2007 berichtete nämlich auch der «Tages-Anzeiger» über Sulzers private Sammlung, die damals im Zinnfigurenmuseum in Zürich ausgestellt war. Er übergebe sie der Jakob-und-Emma-Windler-Stiftung, um sie unter optimalen Bedingungen weiterleben zu lassen, ist dem «Tages-Anzeiger» zu entnehmen, der auch die Spielzeugsammlung Depuoz erwähnt, die ebenfalls an die Jakob-und-Emma-Windler-Stiftung gehe. «Das ist ein fantastischer Kulturhöhepunkt für Stein am Rhein», wird der damalige Stadtpräsident Franz Hostettmann im Bericht zitiert.
Ein abruptes Ende …
Aus diesem «fantastischen Kulturhöhepunkt » wurde allerdings nichts. Zwar beschäftigte die Stiftung zwei Jahre lang einen Direktor mit dem Aufbau eines Museums im Zeughaus. Der Einwohnerrat bewilligte ein Baurecht – dann war Schluss. Die Jakobund-Emma-Windler-Stiftung trennte sich sowohl von der Spielzeugsammlung Depuoz wie auch von Sulzers Zinnfigurensammlung. «Mit dem Wechsel im Präsidium nahm die Sache eine unerfreuliche Entwicklung», sagt Alfred R. Sulzer dazu. Die Spielzeugsammlung wurde 2014 und 2015 über zwei Auktionen verkauft. Ihr Bestand ging in die ganze Welt. Sulzer seinerseits prozessierte aufgrund der schnöden Behandlung durch die Jakob-und-Emma-Windler-Stiftung, wie er sagt. Der Prozess endete 2018 mit einem Vergleich.
Seine Sammlung freilich wuchs im Laufe der Jahre stetig weiter und füllt mittlerweile ein umfangreiches Archiv. Und noch immer kommt Neues dazu, und noch immer macht Christoph Müller Aufnahmen neuer Figurengruppen, während seine Frau Dorothe die Sammlung digitalisiert. Nur der Arbeitgeber hat gewechselt. Jetzt stehen die Müllers im Dienst der Zinnfigurensammlung. Man erkennt es auf den ersten Blick: Alfred R. Sulzer und die Müllers sind ein bestens eingespieltes Team, das sich oft ohne Worte versteht. Nun aber nähert sich diese Arbeit dem Ende zu.
… und eine glückliche Fügung
«Nächstes Jahr fährt der Lastwagen vor», sagt Alfred R. Sulzer. «Dann geht die Reise nach Nürnberg, in die deutsche Spielzeugstadt, wo auch das Germanische Nationalmuseum steht. In dessen Besitz geht die ganze Sammlung über.» Er habe, so Sulzer, dank einer glücklichen Fügung, den Zugang zu diesem Museum über einen Freund gefunden. «Heute bin ich froh über diese Entwicklung», sagt er im Rückblick auf die Ereignisse. So bleibe seine weltweit einzigartige Sammlung – «sie ist ein wissenschaftlicher Korpus» – beisammen und werde entsprechend gewürdigt. Wenn man so viel Energie auf eine Sammlung verwendet habe, wäre es schade, sie einfach aufzulösen, meint Sulzer. Zwei Bedingungen hat er an die Schenkung geknüpft: Die Sammlung soll digital auf der ganzen Welt zugänglich sein, und es soll eine repräsentative Sonderausstellung in Nürnberg organisiert werden. Bis dahin sammelt Sulzer weiter, und in jeder neuen Lieferung nach Stein am Rhein schwingen sowohl Bedauern wie auch Befreiung sowie die Gewissheit mit, dass seine Sammlung in Nürnberg «sicher am richtigen Ort» ist.
Ein Schatz von 138 472 Figuren in 4000 Schachteln
«Meine Passion begann mit zehn Jahren», antwortet Alfred R. Sulzer auf die Frage, wie es zu seiner Sammlertätigkeit gekommen sei. Bereits in den Häusern seiner Grosseltern fand sich Kinderspielzeug früherer Generationen. «Diese Schätze weckten wohl meinen Sammeltrieb.» In mehr als 60 Jahren hat Alfred R. Sulzer 138 472 Figuren zusammengetragen, die nun sortiert in rund 4000 Schachteln lagern. Sein Sammelgebiet umfasst die Herstellungsjahre von 1750 bis 1900. Neben den bekannten militärischen Objekten wie Soldaten, mit denen Schlachten dargestellt wurden, finden sich in Sulzers Sammlung auch viele Gruppen, die Brauchtum oder auch historische Ereignisse nachstellen, beispielsweise Wallensteins Lager oder den Apfelschuss von Wilhelm Tell. Eine weitere dieser Nachstellungen gilt Nansens Expedition ins Packeis. Da geht aufrecht gar ein Eisbär mit! (U. J.)
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